Schwarzwälder Bote: von Diana Krauß
Nagold. Trendy Outfit statt Kittelschürze, Kurzhaarschnitt statt Zottelmähne, Lackschuhe statt Kuschelpantoffeln: „Dui do ond de Sell“ sind in den Wechseljahren.
Foto: Ron Teger
Das spiegelt sich nicht nur im Hormonhaushalt sondern auch beim Auftritt von Doris Reichenauer und Petra Binder in der Alten Seminarturnhalle in Nagold wider. Siehe da, auch die liebvertrauten Putzweiber gehen mit der Zeit. Die Putzlappen haben Doris Reichenauer und Petra Binder durchs Smartphone ausgetauscht. Die Wildbergerinnen feiern in Nagold Heimspiel und haben das Publikum gleich mit dem ersten Satz auf ihrer Seite.
Im Programm „Wechseljahre“ plappern die Kabarett-Urgesteine aus dem Nähkästchen einer Single-Dame über 50. Permanent gerät Doris ins Schwitzen – regelmäßiges Stirn abtupfen und Taschentücher-unter-die-Achseln-klemmen inklusive. Exakt 30 Minuten ist sie jetzt wieder Single, Dieter mit seinem „Sixpack im Speckmantel“ war einfach ein „Lollabebbl“ (für Nicht-Schwaben: eine Trantüte) und passte nicht mehr zum Lebensstil der dynamischen Blondine, die jetzt nochmal so richtig durchstarten will. Freundin Petra dagegen ist mit vier Wochen quasi schon Langzeit-Single und stellt wehmütig fest: „Mit meinem Gerhard war’s doch eigentlich ganz schee.“
Neben der Einsamkeit haben die beiden Wildberger Originale auch mit den Nebenwirkungen zu kämpfen, die die Wechseljahre nunmal so mit sich bringen: Vergesslichkeit, Schlaflosigkeit, Falten, Körperfett und Schwabbel-Arme – um für (noch) Nicht-Betroffene nur einige Beispiele zu nennen. „Seit ich 50 bin wächst mir ein Schwimmring am Bauch; aber eigentlich konnte ich vorher auch schon schwimmen“, klagt Doris. Und ist wiederum froh, jetzt keinen Kerl mehr in ihrer Bude zu haben: „Wenn du dich selbst nicht leiden kannst, ist es besser wenn du nicht auch noch einen daheim hast, den du auch nicht leiden kannst.“
Das vermeintlich stärkere Geschlecht ist eindeutige Zielscheibe im Programm. Aber „Dui do ond de Sell“ stechen ihre Giftspritzen derart charmant ins Mark, dass auch die Herrschaften im Publikum aus tiefstem Herzen mitlachen. Bestätigendes Dauer-Kopfnicken bei den Damen, peinlich-berührtes Grinsen bei den Herren – die 300 Fans in der ausverkauften Seminarturnhalle fühlen mit Doris und Petra.
Da ist keine Kluft zwischen Bühne und Publikum. Es herrscht eher Stimmung wie beim Kaffeeklatsch. Gespannt gehen alle mit auf Raubzug in die Stadt, wo die Single-Damen auf die Pirsch gehen wollen und lauschen anschließend dem Tratsch im Bademantel am Küchentisch: Die Suche in freier Wildbahn verlief frustrierend. Daraufhin wird hemmungslos mit Herren aus dem Publikum geflirtet. Werner aus der dritten Reihe ist leider vergeben. Doch „Dui do ond de Sell“ gehen mit der Zeit. Mit dem Tablet geht’s in Chatrooms auf Online-Partnersuche. „Auf der Straße ist keiner mehr, die sind alle da drin – alle“, weiß Petra. Und im Internet könne man sich ja so viel schlanker, jünger und blonder schmuggeln. Kurz bevor das gewohnte Bild, mit dem sich Doris Reichenauer und Petra Binder in den Köpfen ihrer Zuschauer eingebrannt haben, sich komplett auf den Kopf stellt, reißen sich die beiden die Bademäntel vom Leib und alles ist wieder wie „damals“, als „Dui do ond de Sell“ vor 14 Jahren anfingen. Kittelschürze, rosa Kopftuch, blauer Putzlappen. In ihren Paraderollen als „Mariele“ und „Karlene“ haben die wohl sympathischsten Raumpflegerinnen im Ländle, mit „Hans“ und „Karle“ wieder Männer an ihrer Seite, über die sie herrlich herziehen können.
Ob nun als moderne Damen in den Wechseljahren, als Lästerweibchen oder in alter Putzweiber-Manier: „Dui do ond de Sell“ sind ein Garant für eine ausverkaufte Seminarturnhalle. Das wissen sie selbst am allerbesten. Ihre Erkenntnis tragen die Wildbergerinnen deutschlandweit voller Stolz in die große, weite Kabarett-Welt hinaus: „Daheim ists’s am schönsten“.