Pointen wie Sektkorken

Sie müssen Spioninnen sein. Wie sonst ist es zu erklären, dass „Dui do ond de Sell“ alle Schwachstellen der Männer und Frauen im Publikum zu kennen schienen – und sie in der Jahnhalle offenlegten.

Südwest-Presse: CLAUDIA BURST |

Foto: Claudia Burst

Doris Reichenauer und Petra Binder alias „Dui do ond de Sell“ nahmen vor gut 300 Besuchern in der Geislinger Jahnhalle den Alltag aufs Korn.

„Ich erkenn mich in jedem Satz wieder“, sagte eine Zuschauerin in der Pause und wischte sich noch eine Lachträne aus dem Augenwinkel. Tatsächlich fühlten sich am Donnerstagabend fast alle der über 300 Gäste in der Jahnhalle irgendwie entlarvt. Mit messerscharfem Wortwitz und sarkastischer Selbstironie nahmen Doris Reichenauer und Petra Binder alias „Dui do ond de Sell“ den Wahnsinn des alltäglichen Lebens aufs Korn. „Wechseljahre“ lautete ihr Programm, und das Duo schonte weder sich selbst noch ihr Publikum.

Während sich die eine ständig Kleenex als Folge hormoneller Schweißausbrüche in die Achselhöhlen stopft und über „so viel Haut überall“ jammert, zeigt sich die Freundin mit ihrem Erscheinungsbild ganz zufrieden. „Du füllsch se halt besser aus“, giftet dui do dann ond de sell pariert süffisant: „Ja, irgendwann muss mr sich halt für dr Arsch oder für’s G’sicht entscheida.“

Auf diese Weise attackieren die schwäbischen Schwertgoscha einander – und die Lachmuskulatur ihrer Besucher gleich mit. Die können sich vor den Pointensalven kaum retten und halten sich schon nach wenigen Minuten den Bauch.

Die beiden Frauen auf der Bühne sind seit Kurzem – seit vier Wochen die eine, seit einer halben Stunde die andere – wieder Singles. Das heißt, sie müssen ihren Marktwert neu einschätzen. Mithilfe von asiatisch pilatischem Yoga will die eine dazu noch abnehmen, damit sie nicht nur Göggele von der Stange kaufen kann. Aber auch die Schlankere der beiden erkennt, dass heiße Fummel beim Date nicht mehr dieselbe Wirkung zeigen wie einst: Schwarz wirkt nicht mehr erotisch, stellt sie fest, sondern lässt sie aussehen wie aus der Geisterbahn entkommen. Männer, stellen sie fest, kennen diese Wechseljahre-Problematik nicht – „die kommet aus dr Pubertät gar net raus“. Dafür gibt’s Frauenapplaus.

Urkomisch und oft unerwartet knallen die Pointen wie Sektkorken. Eine Mimik, die Worte fast unnötig macht, der Meterstab, um die Oberweite zu messen, die notwendige Lesebrille mit Tussi-Glitzereffekt. Es sind die Kleinigkeiten, die jeden großen Witz verzieren. Dazu kommt der Charme, wenn sie im Bademantel versuchen, sich digital an den Mann zu bringen. Der Rrrrrrr-Typ soll’s sein, kein Lehrer , eher so ein kultivierter Holzfäller . . . Wie Stefan in der zweiten Reihe. Da kommt Doris Reichenauer sogar von der Bühne, um sicherzugehen, dass der keine Haare auf dem Rücken hat . . .

Dafür wischt Petra Binder als Putzfrau Mariele dem freundlichen Herren mit Glatze diese liebevoll sauber, weil „wenn do oba d’Sonn draufscheint, kommt onda warmes Wasser raus“. So geht’s g’rad weiter, einstecken müssen Frauen und Männer – tobenden Applaus gibt’s am Ende von beiden Geschlechtern.

Auf die Schlussfrage, ob denn auch nur ein Mann im Publikum sitze, „der et so isch, wie mir’s g’sagt hen“, der solle aufstehen, dann nähmen sie ihn mit, stand kein einziger auf. „Dui do ond de Sell“ müssen Spioninnen sein, wie könnten sie all diese privaten Dinge sonst wissen?

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