„Dui do on de Sell“ entfachen in Andelfingen Stürme der Begeisterung.

Petra Binder und Doris Reichenauer benötigen für ihr neues Programm „Reg mi net uf“ keine Kulissen. Ihnen genügen ein Tisch und zwei Stühle („weil sich’s im Sitzen doch besser strickt“) und ein Glas Sprudel, damit die strapazierten Kehlen nicht austrocknen. Auch nach einem dreistündigen inhaltlich und interpretatorisch dichten Programm ist nichts von nachlassendem Schwung oder weniger werdender Begeisterung zu spüren. Die beiden Powerfrauen suchen Kontakt zum Publikum. Wer in der ersten Reihe sitzt, hat natürlich die besten Chancen, ins Programm mit eingebunden zu werden. Das geschieht auf so sympathisch natürliche Weise, als würde man sich schon lange kennen. Schließlich dreht sich alles um Dinge, über die man sich nicht aufregen soll – um fast alltägliche Dinge, die auch in vielen Familien so vorkommen könnten.
„Wer hat eigentlich das Wort Altersteilzeit erfunden?“, fragte Petra Binder. Für ihren Gustav habe eine neue Zeitepoche begonnen, wie auch für den Gatten ihrer Freundin Doris. Vieles sei urplötzlich anders. Der eine der Männer zeige sich überaktiv, der andere scheine in vielerlei Hinsicht zwei linke Hände zu haben. „Mei Ma ist gegenüber vor 30 Jahren etwas oval geworden“ war zu hören. Doch vor allem sei er jetzt eben immer da, nicht nur abends – so wie früher.
Von Energien und Shopping
Wo ist der Zusammenhang zu suchen zwischen Rückwärts-Einparken für Frauen und dem Bestücken der Waschmaschine für Männer“, fragten sich die beiden Damen. Und bescheinigten, dass der Umgang mit dem Thermomix kurz vor dem Mittagessen ebenso energiegeladen sein könne, wie die Frage beim gemeinsamen Einkaufen: „Darf ich den Wagen schieben oder willst heute du?“ Männer gingen ja nicht gerne shoppen. Er halte ihre Hand zurück, damit sie nicht in den Laden hineingehe, denn „Männer bekommen so gerne Lähmungserscheinungen in den Beinen“.
Dennoch sei man happy, wenn alle daheim beisammen seien. Auch wenn immer wieder ein Ufo dabei sei, ein „unheimlich faules Objekt“, das alles liegen lasse, wo man gerade sei. Wenn man abends zum Fernsehen aufs Sofa wolle, müsse man mittags schon den Platz belegen. Köstliche mehrdeutige Wortspielereien zeugten vom Anspruch der beiden Kabarettistinnen. Feststehende Rituale wie Tagesschau, Actionthriller und Sportschau schreien förmlich nach der Fernbedienung, doch was hat diese mit dem Garagenschlüssel gemeinsam? Das erfahre man nur bei Selbstgesprächen. Diese könnten allerdings besonders erschreckend sein, wenn man bei ihnen dann etwas Neues erfahre.
Drei Stunden lang hat das Kabarett aus dem Süden ohne einen inhaltlichen oder dramaturgisch bedingten Hänger ihre Devise „Reg mi net uf“ in einem schillernden Farbenspiel unters Volk gestreut. Die Zuhörer jubelten und werden sicher wieder mit dabei sein, wenn „Dui do on de Sell“ wieder im Land sind, auch wemn sie Andelfingen wohl vergeblich „irgendwo uf dr Alb“ suchen sollten.